Im
Museum fündig geworden:
„Mit großer
Dankbarkeit habe ich endlich nach 70 Jahren das Dorf wiedergefunden, wo
mein Vater als französischer Fremdarbeiter im Jahre 1942 in der Schuhfabrik
gearbeitet hat“. André Martin (69), aus
der Gegend von Angers stammend, standen Tränen im Gesicht, als er sieben Jahrzehnte nach Kriegsende die
Spuren seines Vaters im Schuhort
Hauenstein wiedergefunden hat. Zusammen mit seiner Frau und der Schwägerin war
er mit einem vergilbten Briefumschlag ins Hauensteiner Museum gekommen, um doch
noch etwas zu hören von dem kriegsbedingten Zwangsaufenthalt in Deutschland.
„Monsieur
René Martin , Hanenstein,
Bärmann“ stand auf diesem
Briefumschlagfragment. Das war alles. Statt in
„ Hanenstein“ ist er schließlich in
Hauenstein gelandet und hier war er im Archiv des Deutschen Schuhmuseums an der richtigen Adresse. Das Historische
Institut des Bezirksverbandes Pfalz hatte
den Buchstabendreher schnell erkannt und André Martin in Deutschlands größtes Schuhdorf geschickt.
Da holte ihn nach sieben langen Jahrzehnten die Familiengeschichte wieder ein, und er erfuhr noch viel mehr, was der
Zwangsaufenthalt der in Hauenstein
beschäftigten Fremdarbeiter anging.

Foto:
Eine
historische Ansicht der Dorfwirtschaft „ Zur Sonne“ (Bärmann) um 1930. Rechts die neue Fabrik
Schwarzmüller, das heutige Deutsche Schuhmuseum
Natürlich wurde der
dankbare Gast aus der französischen Schuhregion um Cholet zunächst an die Dokumentation der
französischen Fremdarbeiter um den vor
drei Jahren verstorbenen Hubert Guéniot
(Neufchâteau) geführt, wo eine große Vitrine
mit interessanten Details an die jungen französischen Zwangsarbeiter in
Hauenstein erinnert, aber auf der Liste taugt
der Name des Vaters André Martin nicht auf. Diese
Gruppe von knapp 30 jungen Männern, die aus ganz Frankreich in den
Schuhfabriken Hauensteins arbeiteten, kamen nämlich erst im Jahre 1943 nach Hauenstein, René Martin jedoch bereits 1942. Er war demnach wohl der erste
französische Zwangsarbeiter (STO), der in Hauenstein arbeitete.
Der Name „Bärmann“ als zweiter Hinweis dieser kleinen Zeitgeschichte führte die
französischen Gäste auf die ehemalige
Traditionsgaststätte Bärmann („bei’s Bärmanns) in der Kaiserstraße und zu Karl Bärmann (73), der beste Kenntnisse über die letzten Kriegsjahre und der jungen
Franzosen hatte. Mit zwei Ausnahmen (Hubert Guéniot aus Neufchâteau und Roger
Marino aus Nizza) waren nämlich alle
französischen Kriegsarbeiter (Zwangsarbeiter) im damaligen
Tanzsaal der Gastwirtschaft „Zur Sonne“ in Kost und Logis. Natürlich
wollte André Martin jetzt auch die für alle älteren Hauensteiner noch
wohlbekannte Gastwirtschaft sehen. Die Hauensteiner
Begleiter und Karl Bärmann konnten den drei Franzosen jedoch nur noch das
Gelände der ehemaligen Traditionswirtschaft inmitten einer gepflegten großen
Gartenanlage zeigen. Die eigentlichen Gebäude
(Wirtschaft, Saal, Kegelbahn und Tante Emma-Laden wurden schon vor Jahrzehnten abgerissen. Nur
noch alte Fotografien erinnern ans
„Bärmanns Werdschaft“.
Dennoch war der Sohn
des damaligen Fremdarbeiters aus Frankreich glücklich über die erfolgreiche
Spurensuche aus dieser Zeit. Sohn André ennt noch wesentliche Einzelheiten aus dem Leben seines Vaters, u.a. dass
er aus Chalonnes zwischen Angers
und Cholet stammt und eine Lehre als
Schuhfertiger bei der noch heute produzierenden Firma „Eram“ in Saint Macaire en Mauges absolviert hatte.
Und dies ist wieder ein Zufall: denn aus dieser Gegend stammen noch mehr
ehemalige französische Gastarbeiter, die in Hauenstein bis zum Kriegsende gearbeitet haben. Einer
davon ist der verstorbene Jean „Gabin“ Pacreau aus Cholet, der just zu dem
Zeitpunkt, als die Amerikaner im März 45 an die B-10 Kreuzung nahe der heutigen Schuhmeile vorrückten, mit
einigen Kameraden entgegen eilte und den amerikanischen Vorgesetzten die
Botschaft hinterbrachte: „Bitte in Hauenstein nicht schießen, hier leben gute
Leute“
