„Ist dieser Schuh aber schön..“
nach intensivem Fühlen ,
Betasten, Riechen , Ertasten auch der
filigranen Unebenheiten , Berühren mit den Fingerkuppen, Bestreicheln des
Leders und des Absatzes, unterbrochen
von kurzem Einhalten, dann das Ganze nochmals und ein drittes Mal. Man
sieht dem Gesichtsausdruck der
rund 40 jährigen und von Geburt
aus blinden Anita aus Luxemburg an, wie
aufmerksam und ganzheitlich sie das Ganze erlebt, der Gesichtsausdruck
ist entspannt , die Freude des „inneren
Sehens“ wirkt nach außen, der Sehende
entdeckt die Dankbarkeit
des mit andern Augen
Sehenden als etwas ganz Besonderes: „Ist
dieser Schuh aber schön…“ die Reaktion
von Anita ist so spontan und
kommt nicht über die Augen, sondern vielmehr
vom „sehenden Herzen“, wie
Daniel sagt, ein anderer von
Geburt aus blinder 25 jähriger junger Mann.
Rund 20 Blinde sind
an diesem Tag aus Luxembourg ins
Schuhmuseum gekommen, sie gehören
alle „der Fondation Letzeboerger“
der Luxemburger Blindenvereinigung an.
Madame Jarisch , die Koordinatorin
kultureller Exkursionen des
großen Vereins, hatte vor einigen Wochen
angefragt, ob das Hauensteiner Museum
auch „Führungen zum Anfassen“ anbieten werde. Dabei war sie
bei den erprobungsfreudigen
Hauensteinern spontan auf großes
Interesse gestoßen, zumal die
Museumsleitung vor Jahren schon auch
erste Versuche mit
dem engagierten Blindenfunktionär
Wilhelm Lickteig aus Clausen initiiert
hatte , um Museumsbesuche auch für Blinde und Sehbehinderte anschaulich
anzubieten. Gedacht ist dabei auch eine
kleine Ecke mit Schuhen aller Art zum Betasten und Erfassen,
versehen mit Kurzbezeichnungen in Blindenschrift. Leider ist das Projekt bisher noch nicht verwirklicht worden, weil
notwendige Sponsoren noch
fehlen.
Die Vorbereitung der
Sonderführung mit den Luxemburgern war
dagegen überhaupt nicht zeitaufwendig. An 15 Stationen waren über das Museum verteilt besondere Exponate aus den Vitrinen herausgenommen worden. Das Befühlen,
Ertasten und Riechen vollzog sich dabei
bei allen blinden Besuchern ausgeprägt
intensiv und mit interessierter
Aufmerksamkeit, und immer wieder gab es zusammenfassende Kommentare, die von
sehenden Besuchern nicht hätten treffender sein können.
Am meisten war die
Freude jedoch anzumerken bei dem „Betrachten“ der
Wanderschuhe von Kanzler Helmut Kohl (um 1985)
oder der Originalleisten von
General de Gaulle (um 1955): „Gegenüber
Helmut Kohl muss der französische
Staatsmann geradezu ganz schlanke Füße
gehabt haben“, meinten die Luxemburger Gäste, die mehr als drei
Stunden mit größter Aufmerksamkeit die
Welt der Schuhe „mit anderen Augen“ erkundeten und erforschten
Foto: Begeistert von den Wanderschuhen von Kanzler Helmut Kohl (links) und dem Originalleisten von General de Gaulle
(rechts), ein Teil der Luxemburger Blindengruppe beim Erfühlen der Promi-Schuhe.