Aus „Lieselotte“
1/2013 mit einem herzlichen Dankeschön an Frau Regina Reiser vom Bezirksverband
Pfalz
Die
Mittelalter-Sammlung im Deutschen Schuhmuseum Hauenstein
Vom einfachen Schlupfschuh bis zum aufwändig verzierten
Schnabelschuh – das Schuhwerk im Mittelalter war vielfältig. Wer sich einen
Eindruck davon machen will, geht am besten ins Deutsche Schuhmuseum nach
Hauenstein. Es beherbergt seit geraumer Zeit eine historische Werkstatt und
eine Sammlung mit über 20 detailgetreu rekonstruierten Exemplaren, die zeigt,
welche Schuhe die Menschen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert trugen.
Am meisten wundert den Besucher wahrscheinlich die Tatsache,
dass der Verbrauch an Schuhwerk im Mittelalter immens hoch war, denn länger als
zwei bis drei Monate hielt es nicht: Mehr als 100 Paar Schuhe benötigte ein
Bauer für seine Familie und sein Gesinde im Halbjahr; das ist in
zeitgenössischen Schriften nachzulesen. Insofern war die Schuhmacherzunft
gefragt, die zu den ältesten im Mittelalter gehört.
Die Schuhmacher schnitten aus Ziegen-, Schafs-, Kalbs- und
Rindsleder nach Mustern Schuhe mit dem Zuschneidemesser zu, stießen mit der
Ahle Löcher ins Leder, nähten dann Ober- und Sohlenleder mit pech- oder
wachsgetränktem Hanf- oder Leinenzwirn und Wildschweinborsten auf links
zusammen und wendeten die Schuhe schließlich. Durch dieses Verfahren waren die
Nähte vor Nässe geschützt. Die Wendeschuhe waren bis ins 15. Jahrhundert
gebräuchlich. Besonders beliebt waren Schuhe mit knöchelhohem Schaft, die geschnürt oder mit einer Schnalle, einem
Knöpf- oder Knebelverschluss versehen waren.
Die arme Bevölkerung nahm vor allem mit dem Bundschuh
vorlieb. Er war aus einem Stück gearbeitet und hielt mit einem Lederriemen
zusammen. Verbreitet waren auch Schlupfschuhe, die mit den heutigen Slippern
vergleichbar sind. Neben Halbschuhen gab es für den höheren Stand auch
Schaftstiefel, die oft als Reitstiefel benutzt wurden und die Träger vor Hecken
und Gestrüpp schützten. Gefüttertes Schuhwerk kannte man damals nicht. Damit
die Schuhe nicht direkt mit Schmutz und Nässe in Kontakt kamen, lief man auf
sogenannten Trippen, Holzsohlen, die unter die empfindlichen Lederschuhe
geschnallt wurden.
Schnabelschuhe nach
orientalischem Vorbild
Im späten Mittelalter kamen die eleganten Schnabelschuhe –
Poulains genannt – in Mode, die Kreuzfahrer im Orient kennengelernt und mit
nach Hause gebracht hatten. Oft waren sie aufwändig verziert, indem mit heißer
Nadel Muster ins Leder geritzt wurden. Sie verbreiteten sich schnell und waren
schließlich in fast allen Bevölkerungsgruppen anzutreffen. Während es keine
Unterschiede zwischen Männer-, Frauen- und Kinderschuhen gab, war das Schuhwerk
als wichtiges Accessoire der Kleidung Spiegel des gesellschaftlichen Ranges der
Besitzer. Stand bei einfachen Leuten die Zweckmäßigkeit im Vordergrund, legten
Patrizier Wert auf die Kleidsamkeit.
Die mittelalterliche Schuhmacher- und Trippenwerkstatt im
Deutschen Schuhmuseum verwandelt sich an manchen Tagen in ein lebendiges
Museum, wenn Frank Becker und Wolfgang Strate zeigen, was sie in Sachen Leder
und Holz los haben. Anschaulicher kann kein Einblick in das alte
Schusterhandwerk sein . Das sollte man sich nicht entgehen lassen und dabei
gleich einen Rundgang durch dieses einzigartige Museum machen, das mit einem
Europäischen Museumspreis ausgezeichnet wurde. Weitere Infos unter
www.museum-hauenstein.de.
Einblicke ins
Handwerk: Demonstrationstage
Originalgetreu:
Mittelalterliche Schuhe

Gab’s im späten
Mittelalter: Schnabelschuhe