12 statt 1000 JahreDas Deutsche Schuhmuseum Hauenstein erweitert die sozialgeschichtliche Darstellung eines historischen EreignissesVor nunmehr 75 Jahren (5. März 1933) – die Machtergreifung des Nazi-Regimes war gerade etwas mehr als einen Monat alt – durften die Menschen im gerade angebrochenen „tausendjährigen Reich“ bei der Reichstagswahl zum letzten Mahl nach den Grundsätzen einer relativ freien und geheimen Wahl ihre Stimme abgeben. Weil diese Wahl für das „schwarze“ Schuharbeiterdorf eine historische Bedeutung hatte, gibt es im Deutschen Schuhmuseum Hauenstein seit seiner Eröffnung auch eine kleine Dokumentation „Zwölf statt tausend Jahre“, die jetzt aktuell zum 75. Gedenktag eine inhaltliche und vor allem eine auch etwas eigenwillige museumsdidaktische Erweiterung erfahren hat. In den letzten Wochen hatten sich die Museumsverantwortlichen mit der Frage beschäftigt, wie man zum 75. Gedenktag der letzten freien Wahlen an der Schwelle zum totalitären Hitlerstaat die bestehende kleine Dokumentation auf effiziente und anschauliche Weise erweitern könnte. Die Hauensteiner hatten nämlich bei dieser Wahl vor heute genau 75 Jahren dem jungen Hitlerstaat mit 92,6 Prozent eine sensationelle und rigorose Absage erteilt. Diese vernichtende Anti-Hitlerwahl im großen Arbeiterdorf in der pfälzischen Provinz sorgte damals reichsweit von Königsberg bis Konstanz zum großen Groll und Leidwesen der neuen Machthaber für mächtiges Aufsehen, bedeuteten doch die 92,6 Prozent der Hauensteiner Wähler das höchste Ergebnis aller deutschen Gemeinden über 1 000 Einwohner, die es gewagt hatten , sich dem Nazi - Staat in dieser eindrucksvollen Geschlossenheit entgegenzustellen. Die Hauensteiner Anti-Hitlerfront, angeführt durch den politischen Katholizismus unter dem legendären Pfarrer und Ehrenbürger Georg Sommer ( 1881 – 1968) war nicht nur für Gauleiter Bürckel eine tief sitzende Niederlage . Schon vor der Wahl am 5. März 1933 hatte er eine drohende Haltung eingenommen: „Sagt es eurem Pfarrer, wir kommen wieder. Wir brechen das Eis. Es ist zwar hat, aber wir brechen es“. Die Drohung schweißte die „Hääschdner“ jedoch noch fester zusammen, und das Wahlergebnis bedeutete für die „Bewegung“ eine tiefe Schmach.
Es war reiner Zufall, dass es jetzt gerade junge Leute waren, die die Erweiterung der Dokumentation zum 75. Gedenktag als erste Besuchergruppe mit sichtbarem Interesse zur Kenntnis nahmen: Die augenfällig aus dem üblichen Rahmen fallende Anordnung von paarweise auf dem Fußboden befestigten zeitgenössischen Schuhen jener 30 er Jahre, die schnurstracks zu einer original Wahlkabine dieser Zeit führen, wirft in der Tat auch ein wenig provokativ die Frage auf: Was soll das Ganze, Schuhe fast wie Stolpersteine hintereinander auf dem Fußboden aufgereiht? – „Das schockt“ meinte spontan ein Jugendlicher dieser Besuchergruppe, und alle wollen mehr wissen über die Bedeutung der eigenwillig auf einer schiefen Ebene befestigten Schuhe. Das so geweckte Interesse erfährt durch die in der Tat ein wenig skurril angeordneten Schuhpaare einen direkten „Zugang“ mitten in die alte Wahlkabine und damit ohne Umwege zum historischen Ereignis. Die einfache, aber wirksame Inszenierung wirft Fragen auf und verlangt nach Antworten. Was passierte damals, wie war das wirklich bei den letzten freien Wahlen vor 75 Jahren, als in der Folgezeit die Hitler-Diktatur die ganze Welt in den Krieg und Deutschland in die größte Katastrophe seiner Geschichte riss? Vorbild für die jetzt inszenierte museale Szene war übrigens ein zeitgenössisches Foto, auf dem man Wählerinnen und Wähler vor einem Wahllokal in eine Warteschlange sieht, bevor sie in der Wahlkabine zum letzten Mal in freier Entscheidung ihre politische Meinung kundtun durften. Die Schuhe auf dem Boden stehen für diese wartenden Wähler und Wählerinnen, sie repräsentieren Menschen, die letztmalig ihre freie Entscheidung in der Intimsphäre einer Kabine abgeben durften. „Die etwas eigenwillige Darstellung ist bewusst so gewollt, wir wollten vor dem Nachdenken zuerst provozieren“, meint Museumsmitarbeiter Christoph Seibel, der die Präsentation zum 75. Gedenktag entworfen und mit Heiko Kämmerer umgesetzt hat. „Das schockt..“, sagte doch der junge Besucher bei der ersten Führung am letzten Wochenende. Er trifft dabei den Nagel auf den Kopf, will doch das Hauensteiner Museum mit dieser etwas anderen Darstellung auch nach 75 Jahren eine lebendige Begegnung mit der Geschichte ermöglichen | Nachbildung der Ötzi-Schuhe Gruppenanmeldungen Mediathek In unserem "Digitalen Museum" finden Sie interessante Filme, eindrucksvolle Bildergalerien sowie einen virtuellen Rundgang durch das Museum! Wetter Externe Links |